Achtung bei Änderungen am Stammkapital! GmbH soll mehrere Zehntausend Euro nachzahlen. DRV fordert trotz Befreiungsbescheid für Geschäftsführer rückwirkend Beiträge- zu Recht?

Achtung bei Änderungen am Stammkapital! GmbH soll mehrere Zehntausend Euro nachzahlen. DRV fordert trotz Befreiungsbescheid für Geschäftsführer rückwirkend Beiträge- zu Recht?

Haftungsfalle auch für Steuerberater möglich

Ein Arbeitgeber muss bestimmten Meldepflichten gegenüber den Einzugsstellen nachkommen und ist Schuldner der Gesamtsozialversicherungsbeiträge. Dies kann dazu führen, dass ein Arbeitgeber auch bei einer versehentlichen Fehleinschätzung des Status eines Auftragnehmers Sozialversicherungsbeiträge bis zu vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beträge fällig waren, rückwirkend zahlen muss (§ 28e Abs. 1 und 4 SGB IV).
Nur unter den Voraussetzungen des § 28g Satz 3 SGB IV kann er bei den nächsten drei Lohn- oder Gehaltszahlungen den unterbliebenen Abzug der Sozialversicherungsbeiträge nachholen.

Die Clearingstelle hatte 2011 ursprünglich festgestellt, dass der Geschäftsführer einer GmbH seine Tätigkeit selbständig ausübte. Das Stammkapital der GmbH betrug 25.000 €, davon hielt der Geschäftsführer einen Anteil in Höhe von 10.000 € (40 %). Beschlüsse der Gesellschafterversamm-
lung mussten mit einer qualifizierten Mehrheit von 70 % der Stimmen gefasst werden. Die Clearingstelle stellte fest, dass der Geschäftsführer aufgrund seiner Beteiligung am Stammkapital maßgeblichen Einfluss auf die GmbH ausüben konnte, ferner vom Selbstkontrahierungsverbot nach § 181 BGB befreit war und nicht dem Weisungs- und Direktionsrecht des Auftraggebers unterlag. Im Bescheid wurde darauf hingewiesen, dass Änderungen in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen der Deutschen Rentenversicherung Bund schriftlich anzuzeigen seien.

2012 wurde das Stammkapital der GmbH durch notariellen Beschluss auf 49.000 Euro erhöht. Der Anteil des Geschäftsführers blieb in Höhe von 10.000 Euro unverändert. Als die Deutsche Rentenversicherung Bund während einer Betriebsprüfung von der Kapitalerhöhung erfuhr, forderte sie rückwirkend am Kapitalerhöhung Sozialversicherungsbeiträge für den Geschäftsführer nach.
BSG-Entscheidung
Zentrale Frage in der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Aufhebungsbescheides durch das BSG war, ob die GmbH die Erhöhung des Stammkapitals der Deutschen Rentenversicherung Bund unverzüglich hätte mitteilen müssen. Denn nur dann hätte die Statusentscheidung rückwirkend aufgehoben werden können.
Die Erhöhung des Stammkapitals war eine wesentliche Änderung, die zu einer anderen Bewertung des Status des Geschäftsführers der GmbH führen musste. Da dessen Anteil nach Erhöhung des Stammkapitals nur noch 20,41 % betrug, verfügte er über keine die gesamte Unternehmenstätigkeit umfassende Sperrminorität mehr und hatte keine beherrschende Stellung in der GmbH inne. Als Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH war er seit der Eintragung der Erhöhung des Stammkapitals in das Handelsregister ohne Rechtsmacht und bei der GmbH abhängig beschäftigt.

Eine Mitteilungspflicht für die GmbH ergab sich aus einer analogen Anwendung des § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I i. V. m. § 28a Abs. 1 SGB IV.
Solange eine wirksame Statusentscheidung der Clearingstelle über eine selbständige Tätigkeit vorliegt, kann der Auftraggeber des (vermeintlichen) Selbständigen nicht zur Beitragsentrichtung herangezogen werden.
Das BSG stellt fest, dass dieser Schutz des Auftraggebers nur so lange gelten kann, wie es nicht zu wesentlichen Änderungen in den Umständen, die der Statusentscheidung zugrunde lagen, kommt. Wäre der Auftraggeber nicht zu einer Mitteilung der wesentlichen Änderung verpflichtet, könnte die Statusentscheidung nur dann mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben werden, wenn ein Rentenversicherungsträger auf andere Weise von den Änderungen erfährt. Beiträge für die Beschäftigung eines abhängig Beschäftigten wären dann erst ab der Aufhebung der Statusentscheidung zu leisten. Die GmbH war daher verpflichtet, die Erhöhung des Stammkapitals der Clearingstelle mitzuteilen, um dieser die Möglichkeit zu geben, ihre Statusentscheidung zu überprüfen und ggf. aufzuheben. Dieser Pflicht war die GmbH grob fahrlässig nicht nachgekommen, da sie der Begründung der Statusentscheidung im Bescheid aus 2011 entnehmen konnte, dass das Bestehen einer Sperrminorität Bedeutung für die Bewertung des Status hatte.
BSG vom 29. März 2022, B 12 KR 1/20 R

Hinweis Reißig:
Die in einer GmbH mit der Meldung beauftragten Personen, sollten bei der Beurteilung von Sozialversicherungsflicht bei Änderungen der Verhältnisse erneut für Rechtssicherheit sorgen.
Das erfolgt häufig durch Steuerberater oder Lohnbuchhalter. Bei Fehleinschätzungen kann das auch für diese Personen zu hohen Schadenersatzforderungen kommen, die meist nicht über die Berufshaftpflichtversicherung abgedeckt sind.

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